Wolfgang
Richter, 1928 - 2012
Wolfgang
Richter ist tot. Der Erfinder der wetterfesten
Gartenbahn ist am 21. November 2012 für immer
eingeschlafen. Sein Name wird bei allen
Liebhabern dieser Bahn für immer mit den
Buchstaben LGB und dem Maßstab 1:22,5 verknüpft
bleiben.
Diese
Erfolgsgeschichte war ihm nicht unbedingt in die
Wiege gelegt worden, als er am 29. April 1928
als viertes Kind der Eheleute Johannes und Laure
Richter geboren wurde. Die Eltern stellten
bereits vor dem Krieg in Brandenburg
Blechspielzeug her.
Sein Vater
Johannes Richter war der Vetter von Ernst Paul
Lehmann, dem einstigen Gründer des Ernst Paul
Lehmann Patentwerkes, der auf Grund eines
fehlenden direkten Erben Wolfgangs Vater in den
Betrieb einführte, ausbildete und ihm
letztendlich die Firma übergab.
Der zweite
Weltkrieg ging auch an Wolfgang Richter nicht
spurlos vorbei, er kam in Gefangenschaft, machte
danach sein Abitur und nach dem Krieg in einem
Münchner Spielwarenfachgeschäft eine
kaufmännische Ausbildung.
Die Anfänge
im Westen waren für die Familie Richter nicht
leicht. Den nach der Zwangsenteignung in
Brandenburg und der Umsiedlung nach Nürnberg
dort in Angriff genommenen Aufbau der neuen
Produktionsräumlichkeiten in der Saganer Str.
erlebte sein Vater Johannes leider nicht mehr.
Wolfgang und sein Bruder Eberhard führten das
Werk des Vaters fort.
Nachdem der
europäische Markt seinerzeit zunehmend mit
asiatischen Plagiaten überschwemmt wurde und
viele Spielzeughersteller nach und nach in
Absatzschwierigkeiten gerieten, schwamm Wolfgang
Richter, zusammen mit seinem Bruder Eberhard
gegen den Strom. Sie verließen den bei den
übrigen Unternehmen eingeschlagenen Weg einer
weiteren Miniaturisierung der Modelleisenbahn,
ignorierten gutgemeinte Ratschläge und
entwickelten nicht nur eine wetterfeste
Eisenbahn, die sich auch für den Betrieb im
Garten eignete, sondern dazu - und das war wohl
das Entscheidende - diese in einem bis dahin
nicht gekannten optisch überzeugenden und
überwältigenden Maßstab von 1:22,5. Nach der
erstmaligen öffentlichen Präsentation auf der
Nürnberger Spielwarenmesse im Jahre 1968 gelang
es ihnen fortan, eine bis dahin offenbar
bestehende und von den übrigen Mitbewerbern
nicht wahrgenommene Marktnische sehr erfolgreich
zu besetzen. Die Lehmann Garten Bahn, die L.G.B.
war geboren. Die LGB
eroberte die Märkte der Welt im Sturm. Ganz im
Sinne der Vorfahren und um die bereits erwähnten
Plagiatsprobleme diesmal zu vermeiden, sicherte
man sich sämtliche Schutzrechte an der
Erfindung.
Ohne
Wolfgang und seinen Bruder Eberhard Richter gäbe
es heute sicherlich keine LGB. Leider starb
Eberhard, der Techniker von den beiden, bereits
am 30.12.1984 völlig unerwartet, worauf nun
Wolfgang zusammen mit Johannes, dem Sohn seines
Bruders Eberhard sowie seinem eigenen Sohn Rolf
das Unternehmen weiter führte.
Wolfgang
Richter konnte man ohne Übertreibung, gerade
auch nach dem Tod seines Bruders, als Vater
einer großen LGB-Fangemeinde betrachten. Unter
ihm gedieh die Marke LGB weltweit zu einem
Erfolgsartikel erster Güte.
Die Jahre
gingen dahin, Wolfgang Richter wurde von der
zwischenzeitlich im Werk agierenden vierten
Generation des nun schon weit über 100 Jahre
bestehenden Traditionsunternehmens, den beiden
Junioren, mehr und mehr aus dem eigentlichen
Tagesgeschäft gedrängt und diente diesen fortan
als Aushängeschild der Lehmann Groß Bahn.
Dass das
ehemalige Ernst Paul Lehmann Patentwerk, dessen
Fortführung er in dritter Generation zu seinem
Lebensinhalt gemacht hatte, dann in der vierten
Generation - ohne eine Eingriffsmöglichkeit
seinerseits – im Jahre 2006, im 125. Jahre des
Bestehens, in die Insolvenz geriet, hat den
zurückgezogen lebenden Wolfgang Richter tief
getroffen. Zum geschäftlichen Niedergang des
einstigen LGB-Imperiums gesellten sich dann in
den letzten Jahren noch familiäre
Schicksalsschläge, wie der Tod seines Sohnes
Rolf im Jahr 2009.
Trotz all
dieser Rückschläge bewies er bis zum Schluss
großen Lebensmut. Der Verfasser dieser Zeilen
hatte als Mitglied im Club der LGB-Freunde
Rhein/Sieg das Glück und die Ehre, den Lebensweg
des Visionärs Wolfgang Richter in den letzten 27
Jahren mehrfach zu kreuzen. Anlässlich dieser
persönlichen Begegnungen habe ich ihn stets als
äußerst freundlichen, zuvorkommenden und
hilfsbereiten Menschen empfunden, der immer ein
Ohr für die Wünsche und Anregungen „seiner
großen LGB-Familie“ bewies.
Am 20.
September, fast auf den Tag genau zwei Monate
vor seinem Tod, besuchte er in Schwabach bei
Nürnberg noch die Präsentation der WSL&Co
Logging Railway, deren Spurweite, Konzept und
ein Teil der Fahrzeuge auf „seiner LGB“ beruhen.
Auf die Ausstellung aufmerksam gemacht, ließ er
es sich nicht nehmen, uns dort einen kurzen
Besuch abzustatten, dabei brachte er seine
Faszination zum Ausdruck und wünschte uns, wie
in alten Tagen, weiterhin viel Freude an der
Lehmann Groß Bahn, seiner LGB.
Am 21.
November 2012 hat er uns nun für immer
verlassen. Mit „seinem Kind, der LGB“ hinterließ
er uns etwas Faszinierendes, das nicht nur uns
Fans immer wieder aufs Neue erfreut. Niemals
vergessen werden wir den Visionär Wolfgang
Richter, und manchmal werden wir vielleicht
seinen nach oben gestreckten Daumen vor uns
sehen, wenn wir mit einem seiner „Kinder“ Runde
um Runde in unseren Gärten drehen.
Klaus-P. Kerwer
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